Prof. Dr. Michael Bartsch, wie ist das IT-Recht entstanden?

Prof. Dr. Michael Bartsch


Prof. Dr. Bartsch gehört zu den Begründern des IT-Rechts in Deutschland. Er war der Gründungsvorsitzende der „Deutschen Gesellschaft für Informationstechnologie und Recht e. V.“ , die später eine der beiden Gründungsinstitutionen der „Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik e. V. (DGRI)“ wurde, und war zuletzt Vorsitzender des Beirats dieser wissenschaftlichen Gesellschaft. Er gehört seit 1987 zur Redaktion der Zeitschrift „Computer und Recht“, inzwischen zur Schriftleitung dieser Zeitschrift. An der Universität Karlsruhe hielt er im Wintersemester 1984/1985 die erste Vorlesung zum IT-Vertragsrecht an einer deutschen Universität.

1976 trat Dr. Michael Bartsch in die 1950 von seinem Vater Alfred Bartsch gegründete Anwaltskanzlei ein, die unter der Bezeichnung „Bartsch und Partner“ bis 30.06.2011 geführt wurde. Er gab der Kanzlei die Ausrichtung auf Recht und Technik. Prof. Dr. Bartsch wurde zum Dr. rer. pol. an der Universität Karlsruhe promoviert und 1999 zum Honorarprofessor an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe ernannt.

IT und Rechtsblog: Herr Prof. Bartsch, was hat Sie dazu bewogen, sich für diesen Bereich zu entscheiden? Hatten Sie in Ihrer Studienzeit bereits eine Affinität zu IT-Themen?

Prof. Dr. Bartsch: Als ich 1966 mit dem Jura-Studium begann, gab es praktisch noch keine Computer. Der legendäre Computer IBM 286 wurde erst 1986 vorgestellt. Ich hatte allerdings schon immer eine Affinität zum Technikrecht, was damals bedeutete: Baurecht und Produkthaftungsrecht.

IT und Rechtsblog: Herr Prof. Bartsch, Sie gelten als Mitbegründer des IT-Rechts in Deutschland. Ich glaube, ich spreche für alle meine IT-Rechtskollegen, wenn ich Sie nun frage: Wie ist das IT-Recht eigentlich hier in Deutschland entstanden?

Prof. Dr. Bartsch: Das IT-Recht entstand in Deutschland in der Mitte der 80er Jahre. Ich begann 1980, mich für das Thema zu interessieren, und hatte bald Kontakt zu ein paar kleinen IT-Unternehmen, teils Softwarehäuser, teils Händler von Hardware und Software. In der Neuen Juristischen Wochenschrift, der führenden Juristenzeitschrift, fand ich ein ominöses Inserat, das zur Kooperation beim Thema Computerrecht (wie das damals hieß) aufforderte. Dadurch bekam ich Kontakt zu Dr. Thomas Graefe, der dann die heute noch führende Fachzeitschrift „Computer und Recht“ zustande brachte. Das erste Heft erschien im Oktober 1985. Damals gab es schon eine „Gesellschaft für Rechts- und Verwaltungsinformatik“ (GRVi). Ich gehörte zu ihrem Vorstand. Die Gesellschaft hatte allerdings nur ein juristisches Thema, den damals noch recht unbedeutenden Datenschutz. Gemeinsam mit Thomas Graefe initiierte ich die Gründung der „Deutschen Gesellschaft für Informationstechnik und Recht“, die dann mit der GRVI zur „Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik“ fusionierte. Ich war etwa 25 Jahre lang in zahlreichen Funktionen in diesen Gesellschaften tätig. 

IT und Rechtsblog: Und wie war die erste Resonanz auf die erste Vorlesung im Wintersemester 1984/1985 zum IT-Vertragsrecht?

Prof. Dr. Bartsch: Meine erste Vorlesung zum „Computervertragsrecht“ hatte mehr als 80 Teilnehmer. Das Thema war offenbar reif, auch unter den Technikern. 1984/1985 gab es noch keine Zeitschrift, kein Buch und keine Rechtsprechung. Ich muss Fantasie gehabt haben, um eine zweistündige Vorlesung zu füllen. 

Die Resonanz muss gut gewesen sein. Jedenfalls wurde ich dann in späteren Jahren vielfach von Hörern der Vorlesung, die ich bis heute halte, angesprochen.

IT und Rechtsblog: Heute reden alle von agilen Projekten und Künstlicher Intelligenz. Gibt es heute wesentliche Veränderungen im IT-Recht?

Prof. Dr. Bartsch: Aus juristischer Sicht regt die agile Programmiertechnik dazu an, dass aus dem römischen Recht übernommene Prinzip der Vertragstypen zu verlassen und insbesondere das Thema der Leistungsstörungen einheitlich zu sehen. Ich durfte auf dem Deutschen Juristentag 2016 zu diesem Thema vortragen. 

Die Künstliche Intelligenz war schon einmal, Anfang der 90er Jahre, Schnittstellenthema zwischen Informatiker und Juristen. Ich meine, dass die juristische Behandlung auf bekannten Pfaden stattfinden kann. Man wird nach meiner Erwartung das Institut der Gefährdungshaftung, das vor zweihundert Jahren für das Risiko der Dampfkessel und der Eisenbahnen entwickelt wurde, nutzen. Letztlich wird das Risiko auf Versicherungen abgeladen, die es über die Prämien decken.

IT und Rechtsblog: Stichwort Schnittstellenkompetenz. Reicht das Jura-Studium aus oder muss es künftig auch noch ein zusätzliches Informatik-Studium sein?

Prof. Dr. Bartsch: Es wäre gut, wenn alle Juristen das Programmieren gelernt hätten, um die strukturelle Intelligenz zu schulen. Das technische Wissen, das man als Jurist haben sollte, lernt man im Kontakt mit den Mandanten.

IT und Rechtsblog: Herr Prof. Bartsch, was würden sie abschließend einem jungen IT-Rechtler noch auf den Weg geben

Prof. Dr. Bartsch: Junge IT-Rechtler dürfen sich auf das künftige Berufsfeld freuen. Sie lernen angenehmere Gesprächspartner kennen als in anderen Branchen. Sie erfahren, dass es keine fehlerfreien Leistungen gibt und dass das Recht auch die Aufgabe hat, hier eine angemessene Risikozuweisung zu treffen. Und sie haben immer genügend neue Sachverhalte, um einen wachen Kopf zu behalten.

Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Prof. Bartsch. Es war uns eine Ehre.